Verfahrensinformation

Die Antragstellerin wendet sich im Wege eines Normenkontrollverfahrens gegen die Auflösung eines Großmarkts (8 CN 1.23). Im zugehörigen Anfechtungsprozess (8 C 9.23) klagt sie gegen den Widerruf der Zuweisung ihrer Großmarktflächen.


Die Antragsgegnerin, eine Landeshauptstadt, betreibt seit über 86 Jahren einen Großmarkt als öffentliche Einrichtung. Rechtsgrundlage ist eine von ihr erlassene Großmarktsatzung. Danach sind Zweck und Gegenstand des Großmarkts der Vertrieb der von der zuständigen Behörde festgesetzten Waren an gewerbliche Wiederverkäufer, gewerbliche Verbraucher und Großabnehmer. Auf dem Großmarkt bieten mehr als 100 Händler überwiegend Obst und Gemüse, aber auch Blumen an. Die Antragstellerin betreibt dort seit mehr als 30 Jahren einen Obst- und Gemüsegroßhandel mit derzeit 28 Mitarbeitern.


Nach verschiedenen Marktanalysen und mehrjährigen Diskussionen mit den beteiligten Akteuren entschied sich die Antragsgegnerin, den Großmarkt aufzulösen. Am 1. Juli 2021 beschloss ihr Rat die entsprechende Satzungsänderung mit Wirkung zum 31. Dezember 2024.


Dagegen hat die Antragstellerin einen Normenkontrollantrag gestellt. Das Oberverwaltungsgericht hat diesen Antrag abgelehnt. Die Änderungssatzung sei formell rechtmäßig. Materiell sei sie durch die Befugnis der Kommunen gedeckt, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG). Eine Pflicht zum Weiterbetrieb des Großmarkts als kommunaler öffentlicher Einrichtung ergebe sich weder aus dem nordrhein-westfälischen Landesrecht noch aus dem Grundgesetz. Mit ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.


Pressemitteilung Nr. 20/2024 vom 24.04.2024

Keine Verpflichtung einer Kommune zur Fortführung eines Großmarkts

Die Garantie der kommunalen Selbstverwaltung verpflichtet eine Kommune nicht, einen als öffentliche Einrichtung betriebenen Großmarkt fortzuführen. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Die Antragsgegnerin betreibt seit über 86 Jahren einen Großmarkt als öffentliche Einrichtung. Rechtsgrundlage ist eine von ihr erlassene Großmarktsatzung. Auf dem Großmarkt bieten mehr als 100 Händler, darunter die Antragstellerin, überwiegend Obst und Gemüse zum gewerblichen Weiterverkauf an. Nach mehrjährigen Diskussionen mit den beteiligten Akteuren entschied die Antragsgegnerin, den Großmarkt aufzulösen. Am 1. Juli 2021 beschloss ihr Rat die entsprechende Satzungsänderung mit Wirkung zum 31. Dezember 2024.


Den dagegen gerichteten Normenkontrollantrag der Antragstellerin hat das Oberverwaltungsgericht abgelehnt. Die Auflösung des Großmarkts durch die Änderungssatzung sei von der Garantie der gemeindlichen Selbstverwaltung gedeckt. Eine Pflicht zum Weiterbetrieb des Großmarkts ergebe sich weder aus dem nordrhein-westfälischen Landesrecht noch aus dem Grundgesetz.


Die Revision der Antragstellerin ist erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht angenommen, dass die Satzung der Antragsgegnerin über die Auflösung des Großmarkts wirksam ist. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistet den Gemeinden das Recht, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener Verantwortung zu regeln. Zum Wesensgehalt der gemeindlichen Selbstverwaltung gehört kein bestimmter oder nach feststehenden Merkmalen bestimmbarer Aufgabenkatalog. Die Gemeinden haben vielmehr die Befugnis, sich grundsätzlich aller Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft ohne besonderen Kompetenztitel anzunehmen. Im Bereich der freiwilligen Selbstverwaltung umfasst dies zugleich das Recht, eine Aufgabe nicht zu übernehmen oder eine einmal übernommene Aufgabe wieder aufzugeben. Soweit der Senat im Urteil vom 27. Mai 2009 - 8 C 10.08 - unter bestimmten Voraussetzungen eine Verpflichtung einer Kommune zur Fortführung einer einmal übernommenen freiwilligen Selbstverwaltungsaufgabe angenommen hat, hält er hieran nicht fest.


BVerwG 8 CN 1.23

Vorinstanz:

OVG Münster, OVG 4 D 125/22.NE - Urteil vom 14. Juni 2023 -